Tokio im sanften Lockdown
259 bestätigte Covid-19-Fälle zählte Tokio am 26. März 2020. Gestern stieg die Zahl der Neuinfizierten um 47 an, so stark wie noch nie. Es ist der zweite Tag hintereinander mit über 40 Neuerkrankungen. Schätzungen zufolge könnte es in diesem Tempo weitergehen (Asienspiegel berichtete). Die japanische Hauptstadt ist der neue Hotspot in der Coronavirus-Krise. Dahinter kommt Hokkaido mit 168 Ansteckungen. Auf der Nordinsel hat sich die Lage jedoch im März dank Ausgehbeschränkungen beruhigt (Asienspiegel berichtete).
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Yuriko Koike, Gouverneurin von Tokio, hat nun Alarm geschlagen. Die Metropolregion hat ganz offiziell einen sanften Lockdown begonnen, der zunächst bis zu diesem Wochenende anhält und hauptsächlich aus rechtlich nicht bindenden Forderungen besteht.
Die drei Regeln
Die Hauptstädter haben dabei drei Hauptregeln zu beachten: Enge schlecht durchlüftete (mippei) Räumlichkeiten, dicht gedrängte (misshū) Ansammlungen und engen (missetsu) Kontakt gilt es fortan zu meiden. Weil die dazugehörigen Adjektive auf Japanisch alle das Schriftzeichen 密 (ausgesprochen mitsu für dicht, eng) beinhalten und die Aussprache mitsu zugleich dem Begriff mittsu (三つ für 3) ähnelt, entstand daraus der Begriff «No!! 3 Mitsu» – damit sich auch jeder die Regeln merken kann.
Ohnehin hat man sich in dieser turbulenten Zeit an einige spezielle Begriffe zu gewöhnen. So möchte die Hauptstadt mit den Massnahmen die Bildung von weiteren kurasutā (cluster) vermeiden und somit ein ōbāshūto ( overshoot, eine explosionsartige Verbreitung des Virus) verhindern. Abends und am Wochenende sollen sich die Tokioter zudem an Gaishutsu Jishuku gewöhnen. Damit meint man eine freiwillige Ausgehbeschränkung. Oder anders gesagt: Man soll zu Hause bleiben. In der Firmenwelt bedeutet das, wenn möglich, Home-Office für die Angestellten. Jeder hat sich fortan in Zurückhaltung zu üben.
Ein sanfter Lockdown
Mit den drastischen Massnahmen Europas ist dies aber noch nicht zu vergleichen. Restaurants, Geschäfte und Kaufhäuser dürfen weiterhin offen haben. Züge und Busse verkehren normal. Und dennoch ist in diesem sanften Lockdown vieles anders.
Die Menschen der Nachbarpräfekturen Chiba, Saitama, Kanagawa und Yamanashi werden gebeten, keine Reisen in die Hauptstadt mehr zu unternehmen. Viele passen ihre Öffnungszeiten an, manchen haben am Wochenende geschlossen, wie zum Beispiel der Modepalast 109 in Shibuya (Asienspiegel berichtete). Auch der Park Shinjuku Gyoen schliesst, trotz Kirschblütenzeit, ab heute seine Tore. Die grossen Toho-Kinokomplexe haben am Wochenende ebenfalls geschlossen. Einige grosse Unternehmen wie Hitachi haben den Angestellten Home-Office verordnet. Dort arbeiten immerhin 50’000 Menschen.
Die Supermärkte haben derweil normal geöffnet. Doch wie im Rest der Welt reagierten die Menschen nach der Ankündigung vom 25. März mit Hamsterkäufen (Asienspiegel berichtete). Landwirtschaftsminister Taku Eto versuchte gestern die Menschen zu beruhigen. Es habe genug zu essen, die Lieferketten seien gesichert. Ausserdem verfügt Japan einen Notvorrat von 3,8 Millionen Tonnen Reis.
Die Drohung des hartes Lockdown
Nun richten sich in Japan alle Augen auf Tokio. Sollte sich die Lage verschlechtern, muss die Hauptstadt mit der Ausrufung des Notstands rechnen. Dies kann jedoch nur Premierminister Shinzo Abe tun, basierend auf den Empfehlungen einer Expertengruppe, die gestern ins Leben gerufen wurde.
Die Gouverneurin könnte anschliessend, ein Ausgehverbot, Schulschliessungen und Annullierungen von Veranstaltungen per Verordnung erzwingen. Ausserdem könnte so der Verkauf von lebenswichtigen Gütern an die Lokalregierung angeordnet werden und privates Land temporär für die Nutzung medizinischer Institutionen konfisziert werden. Es wäre der harte Lockdown.
Die Gouverneurin hat diesbezüglich bereits erste Gespräche mit Premier Shinzo Abe geführt. Doch zunächst muss sich Yuriko Koike jedoch mit Forderungen und Aufrufen zur freiwilliger Zurückhaltung begnügen.
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